Der Goldrausch

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Bevor die Menschen auf der Suche nach Gold dem Land grosse Narben zufügten und die Gewässer verschmutzten, lebte das Volk der Tr'ondëk Hwëch'in am Zusammenfluss des Klondike River und des Yukon River. Es waren fischreiche Gewässer und ein hervorragendes Jagdgebiet, dass das Überleben des Clans sicherte. 1874 gelangte Leroy "Jack" McQuesten, ein Amerikaner, auf dem Wasserweg ins Lager der Tr'ondëk Hwëch'in und begann Handel zu treiben. Mit seinem kleinen Schaufelraddampfschiff brachte McQuesten in den folgenden Jahren den Anschluss an die Zivilisation. Es kamen Jäger, die ersten weissen Familien liessen sich nieder und bald schon standen die ersten Holzhäuser. Einige Glücksritter begaben sich auf Goldsuche, wobei ihre Funde aber kaum der Rede wert waren. Niemand ahnte, welch Reichtümer sich hier unter der Erde verbargen, bis drei Männer im Sommer 1896 mit ihrem Goldfund am Bonanza Creek alles veränderten.

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Wer diese Männer waren? Also, da war erst einmal Skookum Jim Mason, geboren in den Tagish Dakl'aweidi Clan in den 1850er Jahren. Durch verschiedene Allianzen und Heiraten hatte sein Clan den Handelsweg über den Chilkoot Pass und den damit verbundenen Trägerdienst fest in der Hand. Schon vor dem grossen Klondike Goldrush kamen Glücksritter, Goldsucher und Abenteurer in den hohen Norden. Mit Schiffen gelangten sie bis Skagway. Ein Fortkommen war nur über den Chilkoot Pass möglich. Die Ausrüstungen dieser Männer wurden - natürlich gegen entsprechendes Entgelt - über den Chilkoot Pass getragen. 1887 war auch Jim Mason einer der Träger, wobei er sich den Beinamen "Skookum" (stark) erwarb, weil er Gepäck von 70kg tragen konnte. Der zweite im Bunde war Dawson Charlie, Skookum's Neffe, der ebenfalls Träger am Chilkoot Pass war und unter der Obhut seines Onkels stand. Der Amerikaner, George Carmack, freundete sich mit in dieser Zeit mit den beiden an. Über die (Liebes-)geschichte zwischen George und Skookum's Schwester Kate ist mir nichts bekannt, aber die beiden heirateten und zogen nach Fort Selkirk und später weiter ins Camp ihrer Verwandten am Klondike River. Im August 1896 besuchte sie dort Skookum Jim zusammen mit Dawson Charlie. Gemeinsam gingen die drei Männer auf Jagd. Während einer Rast am Bonanza Creek entdeckte Skookum Jim Gold. Die Männer steckten sogleich ihre Claims und liessen sie umgehend eintragen, um sich die Schürfrechte zu sichern. Ihre märchenhaften Goldfunde sprachen sich bald herum. Aber es dauerte noch zwei Jahre bis die grossen Massen der Goldgräber eintrafen und 1898 den Grossen Goldrausch am Klondike einläuteten. Der Rest ist Geschichte.

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Ich wende mich lieber wieder dem zu, was wir bei unserer Fahrt entlang des Bonanza Creek entdeckt haben. Allgegenwärtig ist die zerstörte Landschaft. Auf den umgegrabenen Landstrichen holt sich die Natur nur langsam ihr Recht zurück. 

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Überall finden wir alte Maschinen, Fahrzeuge und Blechhütten, die ihren Dienst getan haben und als stumme Zeitzeugen des grossen Goldrausches ihre Geschichten erzählen.

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 Mitten im Wald steht dieses riesige hölzerne Ding! 

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Es ist ein schwimmender Bagger (engl. Dredge). Der berühmte Dredge No 4. Heute steht das Ungetüm auf dem Trockenen und dient als Museum. Es finden geführte Touren durch das Innere der Anlage statt. Zu seiner Zeit war das der grösste Bagger in Nordamerika. Er beförderte täglich 13'732 m3 Gestein aus den künstlich aufgestauten Baggerseen in den Rumpf des Gefährtes, wo es durch eine Trommel geschwungen wurde, wobei das schwerere Gold liegen blieb und das restliche Gestein wieder nach draussen geführt wurde. Während 8 Monaten pro Jahr frass sich der Bagger durch den Boden, wobei alle 3-4 Tage bis zu 23kg Gold in Barren gegossen wurden. In den 46 Betriebsjahren erwirtschaftete die Canadian Klondike Mining Company über 8 Tonnen Gold mit dieser Maschine.

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Die Schotterstrasse schlängelt sich durch das Tal. Schilder mit Zahlen, manche verwittert, andere neu, weisen auf die Claims hin, die zum Teil noch heute bewirtschaftet werden. Offenbar ist am Bonanza Creek immer noch genug Gold zu finden, um ein Auskommen zu haben, wenn man denn den richtigen Claim besitzt.

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Wir folgen dem Lärm von röhrenden Motoren und dem knirschenden Geräusch von Stein auf Metall. Ein handgemaltes Schild macht uns auf mögliche Sprengungen in der Gegend aufmerksam. Wir werfen kurz einen Blick auf die modernen Goldgräber und ihre Hilfsmittel und machen uns dann schleunigst auf den Rückweg. Als uns dann wieder nur das Rauschen des Windes in den Bäumen umgibt, machen wir Halt am Bonanza Creek wie einst die drei Jäger. Natürlich sind meine Augen auf den Boden gerichtet und natürlich suche ich am Ufer des Flüsschens nach einem verdächtigen Glitzern. Als es dann im Wasser golden schimmert, hält mich auch das eiskalte Wasser nicht davon ab, meine Hand nach dem schnöden Mammon auszustrecken. Was ich aber aus dem Wasser ziehe, ist nicht Gold sondern ein Stein, der im Wasser nur so tut als wäre er ein Vermögen wert. Dennoch erfasst mich einen kurzen Moment das berauschende Gefühl: was wäre wenn....

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 Was wurde aus Skookum Jim, Dawson Charlie und George Carmack? Alle drei wurden reich und berühmt. Zuerst durch die Goldfunde in ihren Claims, dann durch profitable Verkäufe derselben. Skookum Jim und Dawson Charlie fanden ein weiteres Goldfeld am Kluane Lake und später stiessen sie auf Mineralienfelder südlich von Whitehorse. Ein vorausblickender und umsichtiger Umgang mit ihrem Vermögen, sicherte ihnen einen angenehmen Lebensabend. Skookum Jim, Oberhaupt der Tagish Dakl'aweidi, hinterliess bei seinem Tod 1916 unter anderem einen Treuhandfonds, zur Sicherstellung einer medizinischen Versorgung und zur Unterstützung Hilfsbedürftiger First Nation im Yukon Territory. In den 1960er Jahren wurde aus diesem Fonds zudem ein Kulturzentrum für First Nation erbaut. Eine Stätte zum Erhalt und der Pflege der alten Traditionen.

© Lucie Chejlava 2017